Im Jahr 2018 reiste Professor David Goodall von Australien in die Schweiz. Der 104-jährige Biologe erregte internationales Aufsehen, weil er in der Schweiz Freitodbegleitung (FTB) in Anspruch nehmen wollte.
David Goodall sagte: „Mein Leben war in den letzten ein, zwei Jahren ziemlich armselig und ich bin sehr froh, es nun zu beenden.”
David hatte bereits seit etwa 20 Jahren an Freitod gedacht. Selbst in seinem hohen Alter war er noch nicht krank, doch sein Hör- und Sehvermögen verschlechterte sich und er verlor mehr und mehr seine geliebte Selbständigkeit. Deswegen unternahm er Suizidversuche, die jedoch mislangen. Anstatt einen weiteren gescheiterten Suizid zu riskieren, beschloss er, die Möglichkeit der FTB in der Schweiz zu prüfen.
Freitodbegleitung (FTB) ist in der Schweiz legal, sofern der Sterbewunsch stabil ist und der Sterbewillige geistig in der Lage ist, die Konsequenzen des Öffnens der Infusion zur Einleitung von Natrium Pentobarbital in den Blutkreislauf, zu verstehen.
Das Barbiturat führt zunächst zu einem tiefen, anästhetischen Schlaf, gefolgt von vollständiger Muskelentspannung und schließlich zum Tod. Dies ist ein äußerst friedliches Lebensende, das dem Sterben im Schlaf – das sich die meisten von uns am Lebensende wünschen – so nahe kommt wie möglich: einzuschlafen und nicht wieder aufzuwachen.
Manche kritisieren diese Möglichkeit und meinen, sie solle nur unheilbar Kranken vorbehalten bleiben. David Goodall hingegen plädierte dafür, die FTB als echte Option für ältere Menschen zu etablieren.
Ruedi Habegger war für David’s sanftes, sicheres und würdevolles Ableben verantwortlich. Damals arbeitete er mit Eternal Spirit zusammen. David erzählte Ruedi, wie ungeduldig er auf die FTB warten würde, da er Angst habe davor eventuell zu stürzen und vielleicht dann nicht mehr in die Schweiz reisen zu können. Er hatte bereits Stürze und war sehr geschwächt. Er befürchtete den Rest seines Lebens in einem Pflegeheim verbringen zu müssen – eine Vorstellung, die ihn mit Entsetzen erfüllte. Er sagte Ruedi, dass er, sollte die FTB nicht bald erfolgen können, erneut versuchen werde das Leben selbst zu beenden, in der Hoffnung dass es ihm dieses Mal gelänge.
Ruedi versicherte David, dass er die FTB zusammen mit ihm so rasch wie möglich vorbereiten würde. Die Beschaffung der Dokumente und die notwendigen Untersuchungen standen an. Im Gegenzug versprach David Ruedi geduldig zu sein, und keine Suizidversuche mehr zu unternehmen.
Nachdem für Davids FTB alles vorbereitet war, riet ihm Ruedi, eine Pause einzulegen und Verwandte in einem der Länder entlang seiner Reise zu besuchen. David griff diese Idee auf und verbrachte einen wunderschönen Urlaub mit seinem Urenkel und dessen Verlobter in Bordeaux in Südfrankreich. Er mochte das junge Paar und den Ort sehr. Nach diesem Aufenthalt reiste er weiter für den FTB-Termin in die Schweiz.
Er wollte aber vor seinem Freitod noch gehörig Lärm machen, möglichst viele Leute erreichen mit seiner Aussage, dass es nicht ok ist als 104-jähriger eine beschwerliche Weltreise auf sich nehmen zu müssen, “nur” um in einen sanften und würdevollen Tod gleiten zu dürfen.
Nach seiner Ankunft in der Schweiz befürchtete Ruedi, David vor den zahlreichen Medienanfragen abschirmen zu müssen. Dies war jedoch nicht der Fall, denn Davids Freundlichkeit, seine Verfassung und seine Bereitschaft über seine Ansichten zu sprechen, waren überwältigend.
In Basel fand eine grosse Pressekonferenz mit Filmteams aus aller Welt statt, sogar Reuters, Associated Press und ein Filmteam des australischen Senders ABC waren unter den zahlreichen, aus aller Welt angereisten Filmteams und Journalisten dabei. David Goodall erklärte dass FTB deutlich zugänglicher werden müsse.
„Es ist schwer nachzuvollziehen, warum ein 104-Jähriger so weit reisen muss, um sein Leben selbstbestimmt beenden zu können. In meinem Alter, und selbst in deutlich jüngeren Jahren, sollte man selbstbestimmt über den Zeitpunkt des Todes entscheiden können”, sagte David.
Das enorme internationale Presseinteresse an David Goodall’s Tod war seinem hohen Alter und auch der Tatsache geschuldet, dass er nicht schwer krank war. Mit seinem Sterbewunsch rückte David den “Altersfreitod” in den Fokus: Ältere Menschen, die beschliessen, ihr Leben sei erfüllt und dass sie selbst entscheiden möchten, wann sie dieses Leben beenden.
Ruedi Habegger war es immer ein Anliegen sich für dieses, aus seiner Sicht selbstverständliche Menschenrecht, einzusetzen und es war folgerichtig, dass er David Goodall den tiefen Wunsch nach seinem Sterben ermöglichte.
Ruedi hatte das Vergnügen einen ganz besonderen Moment mit David zu verbringen, da seine Verwandten von Chicago, für die er Zeit reservierte, sich verspäteten. Ruedi erzählte David, dass er gemeinsam mit Bruno Manser ein Teil der Welt-Regenwaldbewegung gewesen war. David erzählte, dass er hinsichtlich des Klimawandels und dessen Folgen für die Ökosysteme, von denen wir alle abhängen, nicht sehr optimistisch sei. Bereits in den 1950er und 1960er Jahren hatte David die Reduzierung des weltweiten CO₂-Ausstosses angemahnt. Er fand damals kein Gehör. Er erwähnte gegenüber Ruedi, dass er sähe, wie die Menschheit die notwendige Umkehr verpassen könnte: „Nicht einmal das Pariser Abkommen wird zur Genüge umgesetzt werden”, sagte er. Als Ökowissenschaftler, der er sein Leben lang war, äusserte er die Überzeugung, dass sich die Erde erholen, ihre Ökosysteme wiederherstellen und ihr Gleichgewicht wiederfinden werde. Sie habe dafür die notwendigen hunterte, gar tausende Jahre, ganz im Gegensatz zur Menschheit.
Mit der gewollten Medienpräsenz bei seiner Freitodbegleitung, schärfte David das weltweite Bewusstsein für das Recht auf Selbstestimmung am Lebensende. Er erklärte diese zum Menschenrecht, das dies schon immer hätte sein sollen und das allen Menschen zugänglich sein müsste. Oft erfolglose und grässliche Suizide sollten der Vergangenheit angehören, sagte er.
Bevor er das Bewusstsein verlor, nachdem er die Infusion öffnete, waren seine letzten Worte: „This takes an awfully long time”. David starb kurz darauf.
Anmerkung – Das Erlebnis mit Professor David Goodall und anderen bekannten Persönlichkeiten wie John Hofsess etc., inspirierten Ruedi Habegger so sehr, dass diese massgeblich dazu beitrugen die Pegasos Swiss Association zu gründen.
Pegasos besteht im Gedenken an Professor David Goodall, John Hofsess und Daniel Kahneman.

https://pegasos-association.com/news/professor-david-goodall